Innenminister Roman Poseck hat das Regierungspräsidium Kassel besucht, um sich mit dem Regierungspräsidenten Mark Weinmeister über aktuelle Themen auszutauschen. Das Regierungspräsidium Kassel gehört mit seinen rund 1.850 Beschäftigten zu den größten Dienstleistern Nord- und Osthessens. Der Zuständigkeitsbereich umfasst die Kreise Waldeck-Frankenberg, Schwalm-Eder, Hersfeld-Rotenburg, Fulda, Werra-Meißner sowie Stadt und Landkreis Kassel. Als klassische „Mittelbehörde“ fungiert das Regierungspräsidium Kassel als Schnittstelle zwischen den nordosthessischen Gemeinden und Landkreisen und der hessischen Landesregierung in Wiesbaden.
Das RP Kassel ist für vielseitige Aufgaben zuständig, unter anderem liegt hier die Zentrale Bußgeldstelle (ZBS). Sie betreibt neben sämtlichen Bußgeldverfahren nach Verkehrsordnungswidrigkeiten für alle hessischen Kommunen (außer Frankfurt am Main) grundsätzlich auch alle Verwarn- und Bußgeldverfahren nach Verkehrsordnungswidrigkeiten, die durch die hessische Polizei festgestellt werden. Hessen folgt damit einer einstimmigen Entschließung des Deutschen Bundestages, in der alle Länder gebeten wurden, die Zuständigkeit weitgehend zu zentralisieren.
Einfache und transparente Ahndung
Die örtlichen Ordnungsbehörden erheben lediglich bei Verstößen im geringfügigen Bereich bis einschließlich 55 Euro Regelbuße auch sog. Verwarnungsgelder selbst. Aus der Aufgabe ergeben sich vielfältige thematische Schnittstellen, auch in komplexen Thematiken, wie der Vermögensabschöpfung in Bußgeldverfahren nach Verstößen im gewerblichen Verkehr. Die ZBS erfüllt aus dieser Rolle auch eine Frühwarnfunktion hinsichtlich bedenklicher oder rechtswidriger kommunaler Verkehrsüberwachung, da etwaige Aspekte aus den dort eingehenden Vorgangsakten ersichtlich sind. Sie ermöglicht dem Innenministerium damit eine, auch unter den strengen Vorgaben der hessischen Justiz, effektive Aufsichtsführung und rechtzeitige Intervention.
Innenminister Roman Poseck erklärte dazu: „Dieweitgehende Zentralisierung der Massendelikte ermöglicht der Zentralen Bußgeldstelle eine schnelle, effiziente, einfache und transparente Ahndung und gewährleistet eine landesweit einheitliche Verfolgungspraxis bei gleichzeitig hoher Professionalität. Zugleich werden notwendige Ressourcen für die Spezialisierung von Mitarbeitern auf die mitunter auch komplexen Rechtsfragen und für die Modernisierung technischer Ausstattung sichergestellt. Die institutionelle Entkoppelung der Verkehrsüberwachung einerseits und der Verfolgung der Verkehrsverstöße und der Vereinnahmung der Bußgelder andererseits vermeidet Interessenkonflikte und verhindert somit – trotz allen Ärgers, wenn man mal geblitzt wird – Misstrauen in rechtsstaatliche Prozesse. Die Zentralisierung der Zuständigkeit für die Verfolgung und Ahndung von Verkehrsordnungswidrigkeiten bei der Zentralen Bußgeldstelle hat sich bewährt. Daher wollen wir auch künftig daran festhalten.“
Erhöhung des Cannabis-Grenzwertes
In den Gesprächen wurde zudem deutlich, dass die geplante Erhöhung des Cannabis-Grenzwertes, im Zusammenhang mit der Teillegalisierung des Cannabisgesetzes, auch Änderungen in der ZBS nach sich ziehen wird. Der Bundesrat hat den Gesetzesentwurf zur Anhebung des THC-Grenzwertes im Straßenverkehr am 5. Juli angenommen. Dieser wurde bereits vom Bundespräsidenten unterzeichnet. „Unabhängig davon, dass ich von der Erhöhung des THC-Grenzwertes nichts halte, da wir höchstwahrscheinlich mit einem Anstieg der Unfallzahlen rechnen müssen. Die Erhöhung des Grenzwertes ist auch für die Konsumenten gefährlich, da die Wirkung von Cannabis schwierig einzuschätzen ist. Vor allem in Verbindung mit Alkohol birgt die Droge eine unberechenbare Gefahr. Auch für die Polizei ist es schwierig, den Cannabiskonsum zu kontrollieren. Klar ist, dass bekiffte Autofahrer nichts auf unseren Straßen zu suchen haben. Sie sind eine Gefahr für alle Teilnehmer im Straßenverkehr“, betonte der Minister weiter.
Wer mit 3,5 Nanogramm/ml oder mehr THC im Blutserum unterwegs ist, riskiert dann in der Regel 500 Euro Buße und einen Monat Fahrverbot. Im Wiederholungsfall drohen bis zu 1.500 Euro Buße und 3 Monate Fahrverbot. Bei Mischkonsum mit Alkohol wird der Rausch am Steuer mit einem Bußgeld von regelmäßig 1.000 Euro und im Wiederholungsfall bis zu 2.000 Euro sanktioniert werden. Vor der Gesetzesänderung lag der Grenzwert bei 1 Nanogramm/ml THC.
Fast 1,5 Millionen Bußgeldverfahren pro Jahr
Die Zentrale Bußgeldstelle hat in den letzten Jahren jeweils zwischen ca. 1,3 und ca. 1,47 Mio. Bußgeldverfahren pro Jahr bearbeitet. Im Jahr 2023 wurde mit ca. 1,47 Mio. Verfahren ein Höchstwert verzeichnet. Entsprechend war die Höhe der durch die Verwarnungs- und Bußgelder erzielten Beträge ebenfalls hoch wie nie zuvor: 2023 lag dieser bei über 105 Mio. Euro.
„Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter leisten mit der Bearbeitung von fast 1,5 Millionen Bußgeldverfahren Herausragendes. Es ist daher richtig, dass in diesem Bereich die Digitalisierung vorangetrieben wurde. So erfolgt die Abarbeitung der Verfahren seit einigen Jahren überwiegend digital. Ich danke den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für ihren starken Einsatz“, so Roman Poseck.
Regierungspräsident Mark Weinmeister führte ergänzend aus: „Das Regierungspräsidium Kassel ist bei den meisten Bürgerinnen und Bürgern vor allem als Zentrale Bußgeldstelle bekannt – aber nicht immer beliebt. Unsere Mitarbeitenden erfüllen einen wichtigen und verantwortungsvollen Auftrag, wobei die Sicherheit auf Hessens Straßen für uns an vorderster Stelle steht. Das Werben für Respekt gegenüber der Arbeit unserer Beschäftigten ist uns als Regierungspräsidium Kassel ein besonderes Anliegen – dies gilt für alle Abteilungen gleichermaßen. Ich danke Herrn Staatsminister Prof. Poseck ganz ausdrücklich für die Wertschätzung, die auch im heutigen Besuch zum Ausdruck kommt.“
Angriffe auf Einsatzkräfte – Angriffsentschädigung
„Es ist erschreckend, dass Beschäftigte im öffentlichen Dienst immer häufiger angegriffen werden. Vor allem sind Beamtinnen und Beamte der Polizei betroffen. Allein im vergangenen Jahr waren 5.056 Polizistinnen und Polizisten Opfer von Gewalt. Das sind 345 mehr Opfer als im Jahr 2022. Aber auch Einsatzkräfte der Feuerwehr und der Rettungsdienste sind Angriffen zunehmend ausgeliefert. Im Jahr 2023 waren insgesamt 5.251 Einsatzkräfte Opfer von Gewalt, was ein trauriger Höchststand ist. Diese Entwicklung ist für unsere Gesellschaft sehr beunruhigend. Es kann nicht sein, dass Menschen, die sich für die Sicherheit und den Schutz Anderer einsetzen angegriffen werden. Einsatzkräfte sind Alltagshelden, die unseren Rückhalt und unsere Unterstützung brauchen.
Das Land Hessen hat als einziges Bundesland für Fälle, in denen Beschäftigte angegriffen werden, eine Angriffsentschädigung als zusätzliche unbürokratische Unfallfürsorgeleistung eingeführt. Sie wird bei Dienst- und Arbeitsunfällen aufgrund eines rechtswidrigen Angriffs gewährt. Die Angriffsentschädigung ist Ausdruck des Respekts davor und der besonderen Anerkennung dafür, was Beschäftigte als Repräsentanten des Staates leisten und was sie aufgrund ihrer Tätigkeit aushalten müssen. Die Angriffsentschädigung wird hessenweit zentralisiert im Regierungspräsidium Kassel bearbeitet. Es ist gut, dass das Land Hessen diese bundesweit einmalige Regelung hat. Gerade deshalb haben wir erst vor kurzem die Anerkennungspraxis auf weitere Fälle ausgeweitet, in denen bislang eine Angriffsentschädigung nicht ohne weiteres möglich war, obschon diese als sachgerecht und notwendig erschien“, führte Innenminister Roman Poseck aus.
Keine vergleichbare Regelung in anderen Bundesländern
Bei der Angriffsentschädigung handelt es sich um eine allein im Land Hessen gewährte Leistung. In keinem anderen Bundesland findet sich eine vergleichbare Regelung. Adressat der Leistung sind dabei Beamtinnen und Beamte sowie Richterinnen und Richter. Darüber hinaus haben einen entsprechenden Anspruch unter anderem ehrenamtliche Angehörige der Freiwilligen Feuerwehren, Helferinnen und Helfer der Organisationen im Katastrophenschutz, Wahlbeamtinnen und Wahlbeamte in den Kommunen sowie kommunale Mandatsträgerinnen und Mandatsträger.
Sobald dem Regierungspräsidium Kassel ein Unfallereignis gemeldet wird, wird von Amts wegen geprüft, ob ein Anspruch auf Auszahlung der Angriffsentschädigung besteht. Die Entscheidung darüber kann erfolgen, sobald der Unfall anerkannt ist und eine staatsanwaltliche oder gerichtliche Feststellung über den Tathergang des Angriffs vorliegt.
Im Anerkennungsfall beträgt die Entschädigungsleistung pauschal und unabhängig von der Schwere der Verletzung 2.000 Euro. Die Zahlung erfolgt zusätzlich zu den sonstigen Dienstunfallfürsorgeleistungen und wird auch nicht auf diese angerechnet.