Hinweis: Vorliegend geht es um den Genehmigungsantrag der ZKW Otterbein zur wesentlichen Änderung der Anlage zur Herstellung von Zementklinker und Zement, der aktuell beim Dezernat Immissionsschutz und Energiewirtschaft des RP Kassel (Standort Bad Hersfeld) bearbeitet wird. Gegenstand des Verfahrens sind u.a. die Änderung der Drehofenanlage, Erhöhung der Ersatzbrennstoffe sowie Erhöhung des Einsatzes von Hüttensand und Hüttensandmehl. Die Planungen der ZKW Otterbein zu einer Erweiterung des Steinbruches sind vorliegend nicht berührt; hierzu liegt dem RP Kassel bislang kein Antrag vor.
Im Rahmen des immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens wurden die Antragsunterlagen vom 10.10.2022 bis zum 09.11.2022 öffentlich ausgelegt und im Internet zugänglich gemacht. Die Öffentlichkeit hatte anschließend bis zum 09.12.2022 Gelegenheit, Einwendungen an die Genehmigungsbehörde zu richten. Insgesamt gingen innerhalb der Frist 178 Einwendungen beim RP Kassel ein. Einige der Einwendungen wurden von mehreren Personen unterzeichnet.
Erörterung dient der Klärung offener Fragen, nicht der Diskussion
„Im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung kann die Genehmigungsbehörde in immissionsschutzrechtlichen Verfahren zusätzlich eine Erörterung der eingegangenen Einwendungen durchführen“, erläutert Regierungspräsident Mark Weinmeister. „Bei einer Erörterung stellt die Genehmigungsbehörde Rückfragen zu den Einwendungen und die Einwenderinnen und Einwender können ergänzende Erläuterungen zu ihrer eigenen Einwendung abgeben. Hierbei handelt es sich um ein Frage-Antwort-Format in einem formalisierten Rahmen. Das vielfach vorherrschende Bild einer offenen Diskussionsrunde über sämtliche Punkte des Genehmigungsantrags geht am Charakter der Erörterung vorbei. Eine rechtliche Verpflichtung, eine Erörterung durchzuführen, besteht in immissionsschutzrechtlichen Verfahren überdies nicht.“
Im vorliegenden Fall enthielten die Einwendungen trotz ihrer großen Anzahl keine so gravierenden Aspekte für die behördliche Sachverhaltsermittlung, die eine ergänzende Erörterung erforderlich gemacht hätten. Zahlreiche Einwendungen nahmen zudem gar keinen Bezug auf das aktuelle Verfahren, sondern auf andere Bereiche, wie z.B. den Steinbruch, das Kalkwerk der Fa. ZKW Otterbein oder auf Vorgänge aus der Vergangenheit, die bereits abgeschlossen sind. „Unter diesen Gesichtspunkten hätte es aus behördlicher Sicht grundsätzlich keiner Erörterung der Einwendungen bedurft. Aus Gründen der Transparenz und zur Förderung des tieferen Verständnisses ist trotzdem die Entscheidung für eine Erörterung in Form einer Online-Konsultation gefallen“, so der Regierungspräsident weiter.
Online-Konsultation ist gleichrangig zu einem Präsenztermin
Eine Erörterung fand bis 2020 üblicherweise in Form einer (ggf. mehrtägigen) Präsenzveranstaltung statt. Im Zuge der Corona-Pandemie hat der Gesetzgeber mit dem Planungssicherstellungsgesetz (PlanSiG) die Möglichkeit geschaffen, statt eines Präsenztermins eine Onlinekonsultation durchzuführen. Beide Formate sind rechtlich gleichrangig. Im vorliegenden Fall hat die Genehmigungsbehörde von dieser Option Gebrauch gemacht und sich für eine Onlinekonsultation entschieden.
Mark Weinmeister betont: „Ein Erörterungstermin in Präsenzform hätte aufgrund der Vielzahl der Einwenderinnen und Einwender unter Ausschluss der (sonstigen) Öffentlichkeit erfolgen müssen. Im Sinne einer maximalen Transparenz bietet die Online-Konsultation deshalb sogar den Vorteil, dass auch die sonstige Öffentlichkeit einbezogen werden kann. So wird im Konsultationszeitraum (30.01.–20.02.) eine Zusammenfassung, welche die Einwendungen, die Erwiderung der Antragstellerin sowie etwaige Stellungnahmen der Fachbehörden enthält, auf der Internetseite des Regierungspräsidiums bereitgestellt und ist dort für alle Interessierten einsehbar. Dieses Dokument wird im Konsultationszeitraum regelmäßig um die eingehenden Erwiderungen aktualisiert. Statt eines auf wenige Tage gedrängten Erörterungstermins kann der Zeitraum im Rahmen der Onlinekonsultation zudem auf mehrere Wochen ausgedehnt werden. Auch dies dient der Flexibilität und der Transparenz. Bei einem Präsenztermin ist demgegenüber ein solches Dokument, welches die intensive Auseinandersetzung mit den Stellungnahmen der Antragstellerin und der Fachbehörden zu den Einwendungen über einen 3-wöchigen Zeitraum ermöglicht, zur Vorbereitung nicht vorgesehen.“
Für nicht-technikaffine Menschen bestand und besteht zudem die Möglichkeit, die Unterlagen in Papierform bei den Auslegungsstellen (Gemeine Großenlüder, RP Kassel am Standort Bad Hersfeld) einzusehen und eine etwaige Erwiderung schriftlich auf dem Postweg zu übersenden. Bereits bei der Abgabe von Einwendungen im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung konnten die Unterlagen in Papierform vor Ort eingesehen und Einwendungen auch schriftlich erhoben werden. Unabhängig von einer Teilnahme der Einwenderinnen und Einwender an der Online-Konsultation liegen die Einwendungen der Behörde vor und werden selbstverständlich im Rahmen der Entscheidungsfindung gewürdigt.
Digitale Formate haben sich bewährt und werden fortgeführt
„Es ist folglich mitnichten so, dass durch die Entscheidung für eine Online-Konsultation Bürgerinnen und Bürger aus dem Verfahren ausgeschlossen würden, wie öffentlich zu lesen war – im Gegenteil“, hält Regierungspräsident Weinmeister fest. Auch der Vorwurf, das RP Kassel schiebe die Corona-Pandemie vor, um sich einer Diskussion zu entziehen, geht fehl: Der Gesetzgeber hat festgehalten, dass die Regelungen des PlanSiG sich während der Corona-Pandemie grundsätzlich bewährt haben und es starke Anzeichen dafür gibt, dass sich für Vorhabenträger, Bürgerinnen und Bürger sowie Behörden Vereinfachungseffekte durch die stärkere Nutzung elektronischer Verfahrensabläufe ergeben. Auch wenn das PlanSiG als Gesetz zur Krisenbewältigung geschaffen wurde, setzt die Anwendbarkeit der Regelungen nicht das Vorliegen einer konkreten Pandemiesituation voraus.
„Die zuständigen Fachleute in meiner Behörde haben deshalb nach gründlicher Abwägung und auf Basis der geltenden Gesetzeslage die Entscheidung für eine Onlinekonsultation getroffen. An dieser Entscheidung gibt es fachlich nichts auszusetzen und ich stehe zu 100 Prozent dahinter“, stärkt der Regierungspräsident seinen Mitarbeitenden den Rücken. Gleichzeitig legt er Wert darauf, dass das Regierungspräsidium selbstverständlich zum Dialog bereitsteht und Angebote zum vertiefenden Gespräch gerne aufnimmt. „Wenn ich eingeladen werde, komme ich selbstverständlich gerne nach Großenlüder und stehe im persönlichen Gespräch für Fragen zur Arbeit meiner Behörde zur Verfügung“, so Weinmeister abschließend.